21.03.2023
Reise nach Israel

Auf Einladung der Ev.-Luth. Kirche in Jordanien und im Heiligen Land und der Kirchengemeinde Beit Jala besuchte eine Gruppe aus Gemeindemitgliedern und Mitarbeitenden unseres Kirchenkreises vom 18. bis 24. Oktober Beit Jala.

Auf Einladung der Ev.-Luth. Kirche in Jordanien und im Heiligen Land und der Kirchengemeinde Beit Jala besuchte eine Gruppe aus Gemeindemitgliedern und Mitarbeitenden unseres Kirchenkreises vom 18. bis 24. Oktober Beit Jala. Jena verbindet eine Städtepartnerschaft mit der Stadt in palästinensischer Autonomieverwaltung. Die Gemeindereise sollte ein Kennenlernen befördern und Möglichkeiten einer kirchlichen Zusammenarbeit ausloten. Beit Jala liegt zwischen Jerusalem und Betlehem und ist eine der letzten christlichen Städte im Heiligen Land mit knapp 13.000 mehrheitlich christlichen Einwohnern, die überwiegend griechisch-orthodox oder katholisch und nur zu einem kleinen Teil evangelisch sind. Unsere 21-köpfige Reisegruppe wohnte in der Abrahamsherberge, einem gut ausgestatteten Gästehaus der lutherischen Gemeinde, das durch kirchliche Hilfe aus Deutschland gefördert wird. Dort wurden wir sehr herzlich durch Mitarbeitende, Gemeindeleitung und Pfarrer Ashraf Tannous, der in Deutschland studiert hat, empfangen und begleitet. Dank unserer engagierten Reiseleiter Pfarrer Sieghard Knopsmeier und Jenas Altoberbürgermeister Dr. Albrecht Schröter, beide Kenner des Heiligen Landes, wurden den Teilnehmenden spannende Erlebnisse und tiefgehende Debatten mit kundigen Gesprächspartnern ermöglicht. Das Heilige Land ist gefangen in einem Konflikt, der sich seit dem abgewehrten Angriff aller arabischen Nachbarstaaten auf Israel einen Tag nach der Staatsgründung 1948 und der anschließenden Vertreibung von vielen Palästinensern immer weiter verstetigt hat. Leidtragende sind Menschen beider Seiten, die unter latenter Bedrohung leben und insbesondere in Palästina massive Einschränkungen hinnehmen müssen, sei es in der Versorgung mit Strom, Wasser und medizinischer Versorgung oder durch die Begrenzung der Bewegungsfreiheit, die mit der Mauer zwischen Israel und Palästina verbunden ist.

Nach dem Besuch des Tempelberges, der Klagemauer, des Ölbergs, der Via Dolorosa und der Grabeskirche in Jerusalem empfing uns Ibrahim Azar, Bischof der dortigen Ev.-Luth. Kirche in seinem Dienstsitz an der wunderschönen Erlöserkirche mitten im Zentrum der Stadt. Er berichtete von der bedrängenden Situation der Christen vor Ort. So wäre vor allem durch Abwanderung und demografische Entwicklung der Anteil der Christen in Israel und Palästina von etwa einem Drittel der Gesamtbevölkerung vor 70 Jahren auf jetzt knapp 2 Prozent gesunken. Diese Minderheit hätte indes durch Schulen, Krankenhäuser und Diakonie eine wichtige Bedeutung. Christliche Einrichtungen sind vor allem in Palästina essentiell für die öffentliche Daseinsvorsorge. Über 30 Prozent aller medizinischen Einrichtungen haben christliche Träger, 45 Prozent aller sozialen Organisationen in der Region werden durch Christen organisiert; christliche Schulen sind beliebte Bildungseinrichtungen für Muslime und Christen. Bei einem berührenden Besuch einer von Salesianerinnen (Don-Bosko-Schwestern) geführten Grundschule bei Beit Jala wurden Partnerschaftskontakte zur Jenaer Evangelischen Grundschule Klaus-Peter Hertzsch geknüpft.

Der deutsche evangelische Propst in Jerusalem, Joachim Lenz, erklärte beim Besuch der Himmelfahrtskirche am Auguste-Viktoria-Hospital, das unter seiner Leitung steht, dass für 4,5 Millionen Menschen in Palästina nur dieses eine Krankenhaus Bestrahlungstherapien für Krebspatienten anbieten könne. Die Bedeutung der Christen für die medizinische Versorgung zeige sich auch darin, dass drei von vier Krankenhäusern in Ost-Jerusalem in christlicher Trägerschaft stünden. Eindrucksvoll stellte sich die Arbeit der evangelischen Schule Talita Kumi in Beit Jala dar, dessen Leiter Matthias Wolf Austauschprogramme mit palästinensischen, israelischen und deutschen Schulen vorstellte, die dringend notwendige Begegnungen zwischen jungen Israelis und Palästinensern ermöglichen. Auch das Gespräch mit Mitri Raheb, Präsident der christlichen Dar Al-Kalima-Universität Betlehem, an der Christen und Muslime gemeinsam lernen, war höchst ermutigend. Mit über 50 Prozent Frauenanteil und einer humanistischen Ausrichtung ist ein vorrangiges Ziel der Einrichtung „Education for Peace“ - Bildung für den Frieden zu ermöglichen. Christen seien wegen dieser Arbeit in Palästina Hoffnungsträger. Bei einem Treffen im Rathaus von Beit Jala berichtete Bürgermeister Issa Al Qassis von der Not der seit Jahrzehnten andauernden Auswanderung. Mehr als 70.000 in Chile lebende Menschen stammten von Familien in Beit Jala ab. Zugleich verwiesen er und sein Stab stolz auf hoffnungsvolle touristische und wirtschaftliche Programme.

Im Verlauf der fünftägigen Reise stießen wir immer wieder auf kleine Hoffnungszeichen, seien es engagierte Frauen, die ein Tourismuszentrum in ihrem idyllisch gelegenen Ort aufbauen oder eine palästinensische Hilfsorganisation, die ähnlich wie die Tafel in Jena Sachspenden oder zweckgebundene finanzielle Unterstützung unter bedürftigen Palästinensern vermittelt. Darüber hinaus ermöglichte die Reiseplanung immer wieder ganz andere Einblicke. So erlebten wir eine spektakuläre Wanderung mitten durch die Wüste und im grünen Wadi Qelt mit anschließender Besichtigung des Berges der Versuchung Jesu und der ältesten Stadt der Welt „Tel es Sultan“ , das alte Jericho, wo 11.000 Jahre alte Gebäude stehen. Gemeinsam mit der Gemeinde in Beit Jala feierten wir einen bewegenden Sonntagsgottesdienst mit viel gemeinsamem Gesang. Superintendent Neuß predigte, von Pfarrer Tannous simultan übersetzt, über die Heilung des Gelähmten (Mk. 2). Er stellte dar, dass es bei Jesus kein Drinnen und Draußen gäbe; auch die Kranken gehörten in die Mitte. Das würde auch für alle unter dem Unfrieden leidenden Menschen im Heiligen Land gelten.

Natürlich blieben viele Fragen offen. Die Positionen sind derzeit verhärtet und eine Friedensperspektive ist nicht in Sicht. Die Mauer ist eine Scharte, die zwar die furchtbaren Anschläge der zweiten Intifada vor 20 Jahren beendete, aber zugleich das Leben von Millionen Menschen tagtäglich beschneidet. Auch die Beschlüsse der 1994 verheißungsvollen Osloer Friedensgespräche, denen die palästinensische Regierung zugestimmt hatte, bergen bis heute leider ein hohes Konfliktpotential. Die israelische Siedlungsbewegung in palästinensisch verwalteten Gebieten ist eine anhaltende Provokation. Ohne erkennbare Lösungsansätze sind auch die ungebremste Versiegelung von Flächen, die allgegenwärtige Plastikvermüllung und eine sich ausweitende extreme Wasserknappheit.

Zurück bleiben große Dankbarkeit für das Erlebte und ein zwiespältiger Eindruck. Der Besuch in der sehr beeindruckenden Holocaustgedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem am letzten Tag der Reise führte uns die eigene Geschichte und die Verantwortung unseres Landes für die Sicherheit des Staates Israel, dem bis heute täglich mit Vernichtung gedroht wird, deutlich vor Augen. Weitere Kontakte könnten an die kleinen Hoffnungszeichen anknüpfen und sie stärken. Die lutherische Gemeinde in Beit Jala braucht diese Zeichen der Wahrnehmung und Anerkennung, um weiterhin ihre wichtige Arbeit erfüllen zu können. Sie lädt Menschen aus Jena herzlich zu sich ein. Besonders in den Bereichen von kirchlichen Bildungsprojekten und diakonischem Einsatz lohnen sich Begegnung und Erfahrungsaustausch. Gern wieder mit den lieben Menschen, die wir bereits kennenlernen durften und in der wunderbaren Abrahamsherberge!


Mehr Fotos

16  KK Jena 26a  KK Jena 28  KK Jena 72  KK Jena 78  KK Jena 101  KK Jena 116  KK Jena 123  KK Jena