Es tönen die Lieder
Kantate - so heißt der kommende Sonntag seit alters für viele Christen. Zu deutsch: Singt!
Tatsächlich haben Denunzianten schon vor 2000 Jahren der Römischen Regierung berichtet:
Diese neue Community trifft sich regelmäßig vor Tagesanbruch. Dann singen sie Loblieder für
Christus, wie für einen Gott. - Und heute macht sogar die Post Erinnerungskultur für das
Singen. Ihre neue 1-Euro-Marke erinnert daran, dass evangelische Christen seit 500 Jahren ihre
Lieder in Gesangbüchern sammeln.
Vielen vergeht in diesen Tagen die Stimmung zum Singen. Mancher fühlt sich wie auf der
TITANIC. Die Musik spielt, aber das Schiff sinkt. Doch wer singt, nimmt nicht hin, was wie ein
Verhängnis wirkt. Er oder sie lässt sich nicht verrückt machen, wenn Schreihälse und
Aktionisten ihre gefühlte Wahrheit herausposaunen. Jeder Sänger, jede Sängerin weiß: Das
Schlimme hört nicht auf, wenn ich verstumme.
Sondern wenn ich singe, dann bin ich ganz bei mir. Bin bei einem Lied, das ich seit Jahren
liebe. Bin bei einer Melodie, die mir heute noch zum Ohrwurm wird. Spür ich einen Rhythmus,
bei dem ich wieder mit muss. Da fällt mancher Krampf mit der Alltagsmaske vom Gesicht. Ich
lasse meine wahre Stimme hören. Damit wird die Welt ein kleines Stück erträglicher. Ja - ein
kleines Stück besser.
Noch mehr: Ich erlebe im Singen und Musizieren ein Stück Auferstehung. Aus den stummen
schwarzen Zeichen mit den 5 Linien auf dem Papier entspringt Geist. Er weckt in mir einen
Klang. Kein Wunder, dass das Singen der Christen immer wieder an den Ostermorgen erinnert.
Singen ist Erlösung - erhofft und schon vorweggenommen.
Singen hat mit Bewunderung zu tun. Die einen tun es, weil sie den Schöpfer des gestirnten
Himmels über uns bewundern. Die anderen, weil sie erlebt haben, wie einer mit ihnen über
„sieben Brücken“ gegangen ist, helfend und rettend. Und Zuversicht leuchtet in Liedern auf: Mit
den Steinen, die am Grunde des Stromes dennoch wandern. Und mit dem Samenkorn, das
trotzig den Halm im „Saatengrün“ treibt, selbst zwischen Trümmern und Steinen.
Wer singt, steht auf - eine Achtung gebietende Geste: Der Chor steht auf und gewinnt
Stimmung. Das ist mehr als Masse mal Bewegung. Das multipliziert sich mit Einklang, Lust und
Liebe. Das habe ich bei dem Kantor meiner Kindertage gelernt. Der hieß Martin Flämig.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit einem Lied, mit einem Song, sich selbst und einen Funken
neuen Mut gewinnen. Lassen Sie sich von anderen Singenden mitnehmen. Riskieren Sie
Stimme!

Joachim Schröter, Pfarrer i.R. Jena