Quasimodogeniti. Ein sperriger lateinischer Name. Ein Sonntagsname. Für den Sonntag dieses Wochenende. Übersetzt heißt er: wie die Neugeborenen. Der erste Sonntag nach Ostern. Das Fest, in welchem Erneuerung gefeiert wird oder (leichter zu verstehen): die Dinge in einem anderen Licht sehen können. Deswegen wird er auch weißer Sonntag genannt. Etwas ist gänzlich neu. Wie ein weißes Blatt Papier. Das Schwierige ist: richtig sehen kann das niemand, das Neue. Es ist ein Gefühl, eine Haltung, eine Überzeugung. Es ist Glauben. Nichts, was gewusst werden kann. Trotzdem real, nicht in greifbaren und abrufbaren Inhalten, sondern in Momenten, in denen etwas fehlt oder sich entzieht, Momente, die nach Antworten suchen. In diesem Verhältnis leben Menschen, die glauben: sie suchen die Verbindung zu einem sich entziehenden Gefühl oder Gegenüber. So entsteht ein Raum: für Unterbrechung, für offene Fragen, für die Erfahrung, dass Sinn nicht restlos verfügbar ist, sondern sich dort zeigt, wo etwas offenbleibt. Das ist Bewegung, Lebendigkeit, Spannung. Allerdings kann das auch ziemlich beängstigend sein: sich auf etwas Unverfügbares einzulassen, ohne wissen zu können, was sich ereignen wird, nur mit einer vielleicht nicht nur unerschütterlichen Überzeugung, dass da etwas ist, was trägt.
Ich spüre, wie ich mit den Worten ringe, weil sich auch mir dieses Gefühl, dieses Gegenüber entzieht, manchmal ganz stark, manchmal nur wenig. In der Bibel, im Alten Testament, lese ich: „Du kannst mein Angesicht nicht sehen. Aber siehe, da ist ein Platz bei mir.“ (Ex 33, 21-23) Es sind nie die Menschen, die Gott finden. Es ist immer Gott, der die Menschen findet. Er ist dort, wo Herzen schwer sind, wo sich Dinge unsicher anfühlen, wo Fragen und Zweifel bleiben, wo Vertrauen fehlt, wo sich kein Mut ausbreitet.
Aber da ist keine Leere nach Ostern. Nur etwas Neues. Es lässt sich nicht suchen wie Ostereier. Es bleibt unverfügbar. Ich nehme an, er wird auch weiter unter uns suchen. Nicht nach weißen unbeschriebenen Blättern, nein: er wird nach uns suchen.
Oberkirchenrätin Anne Brisgen