Heute schon gelobt?

Als es bei uns zu Hause mit unseren drei Kindern munter und fröhlich zu ging, nicht selten auch drunter und drüber, fand ich eines Tages eine Postkarte. Darauf war zu lesen: „Heute schon dein Kind gelobt?“ Diese Frage traf mich. Ich befestigte die schlichte Karte dort, wo ich tagsüber oft vorbei lief. Ja, ich hatte diese Erinnerung nötig! Denn ehrlich gesagt war meine Geduld zuweilen sehr gefordert.

Wenn ich nur daran denke, wie lange es brauchte, bis wir alle witterungspassend angezogen waren, unser Gepäck hatten, so dass wir pünktlich loskamen… „Heute schon dein Kind gelobt?“- diese Frage vor Augen verhalf mir im Laufe der Jahre zu einer anderen Sichtweise.

Mein Gehirn ist, wie bei vielen anderen, auf „automatische Fehlersuche“ eingestellt. Fehlerhaftes oder schlecht Funktionierendes fallen mir meistens zu allererst auf. Erst, wenn ich weg vom Fokus hin in die Weite komme, nehme ich wahr, was alles funktioniert, was gut und richtig läuft. Und das ist meistens sehr viel mehr als das Fehlerhafte. Wenn ich meine Augen auf „weit und breit“ sehen einstelle, sehe ich, was schön ist und genau richtig. Dann komme ich aus einer Stimmung der Unzufriedenheit heraus und freue mich über das, was möglich ist, was gelingt, was schön ist und was doch ganz gut geht, trotz Schwächen im System… „Heute schon gelobt?“ diese Frage hilft mir für sehr vieles dankbar zu sein. Mit zunehmenden Alter wächst die Dankbarkeit sogar. Das bedeutet nicht, dass ich Fehler und Ungereimtheiten ausblende oder weniger darunter leiden würde. Andere Menschen, mich und Gott zu loben hilft mir, geduldiger und entspannter zu werden, eben das Gute und Schöne auch sehen zu können. Es weitet meinen Horizont, lässt mich entdecken, dass Vieles trotz Fehler oder Versagen doch ganz gut funktioniert. Es macht das Zusammenleben leichter und fröhlicher. So ein Satz zur Erinnerung finde ich auch in alten biblischen Liedern, wie beispielsweise „Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei gelobet der Name des HERRN!“ (Psalm 113, Vers 3). Forscherinnen und Forscher, die sich mit der Frage beschäftigen, was Menschen glücklich sein lässt, bestätigen, dass Menschen, die dankbar und anderen wertschätzend entgegentreten, glücklich sind. Deshalb ist es eine gute Idee, jeden Tag bewusst darauf zu schauen, wofür ich heute dankbar bin und wie ich dies anderen Menschen gegenüber zum Ausdruck bringen kann. 

 

Christin Eibisch, Evangelisch methodistische Kirche Jena / Bad Klosterlausnitz